Wir wollten leben. Jugend in Deutschland 1939-1945B, Broschiert
Nichts ist so authentisch wie Geschichte, die von Zeitzeugen erzählt wird. Individuelle Momentaufnahmen verdichten sich so zu einem Gesamtpanorama. Eine Zeit, die man nur schwer begreifen kann, wird dadurch auch für den Außenstehenden in gewisser Weise "erfühlbar". Neben wissenschaftlichen Untersuchungen wie Schauder und Idylle von Gudrun Brockhaus, sind es Veröffentlichungen wie dieser Band der < I> Zeitgut-Reihe, die Antworten geben auf die brennende Frage: Wie konnte das nationalsozialistische Unrechtssystem so lange bestehen? < P> Die Verfasser der 40 kurzen Beiträge des Buches waren bei Kriegsausbruch im September 1939 alle zwischen 14 und 17 Jahre alt, standen also bereits damals seit sechs Jahren unter dem totalen Gestaltungsanspruch der N S-Machthaber. Deren Organisationen wie die Hitlerjugend, der Bund Deutscher Mädel oder die Wehrmacht spielen somit in den Erinnerungen der Autoren eine zentrale Rolle. < P> Stilles Sichfügen, aber auch Versuche, aufzubegehren und Widerstand zu leisten, tauchen in den autobiografischen Auszügen immer wieder auf. In ihrem Beitrag " Sinneswandel" schildert die damalige Lehrkraftanwärterin Magda Riedel, wie ihr verklärtes Bild vom Nationalsozialismus angesichts der ausgemergelten Häftlinge des Konzentrationslagers Stutthof erschüttert wurde. Und Hans Schmidt, Ende 1941 Luftwaffenrekrut in Posen, bringt in einer sprachlich brillanten Beschreibung seiner Ausbildungszeit die Mechanismen der Unterwerfung des Individuums zum Ausdruck. Er spricht vom Eintritt in die "totale Abhängigkeit". In der Tat machen die Beiträge deutlich, wie sehr die Menschen zu Spielbällen von Ereignissen geworden waren, die sie nicht beeinflussen, geschweige denn steuern konnten. < P> Leben und Überleben in Zeiten völliger Fremdbestimmung ist denn auch das Thema, das allen Schicksalen gemein ist. Dabei noch einen Rest Würde zu bewahren, war zumeist schwierig, manchmal unmöglich. < I>-Manfred Schwarzmeier
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