Hexen: Verfolgung in KölnGebundene Ausgabe, 0-09
Hexenverfolgung war eines der zentralen historischen Themen der zweiten Frauenbewegung, und die rasch populären Thesen hießen vereinfacht: Hexenverfolgung war ein vom katholischen Klerus organisierter, systematischer Gynozid in der Größenordnung eines Genozids. Diese Thesen lassen sich, zumindest für die frühneuzeitliche Großstadt Köln, nach dem neuesten Forschungsstand in dieser Form nicht halten, wie die Autorinnen anhand von ebenso sorgfältigen wie anschaulichen Erwägungen aufzeigen. In über hundert Jahren (zwischen 1446 und 1662) wurden in Köln 103 Menschen wegen "Zauberey" hingerichtet, davon 89 Frauen und Mädchen. Von einer obrigkeitsgelenkten, systematischen Kampagne lässt sich dabei kaum sprechen, da die meisten Anzeigen gegen vermeintliche "Hexen" dem Anschein nach aus der Handwerker- und Unterschicht kamen, nicht selten von anderen Frauen stammend. Einzelnen Fanatikern aus Klerus und städtischem Patriziat stand in Köln eine Reihe trägerer Opportunisten bis Skeptiker gegenüber. Eine kölnische Besonderheit lag in dem Umstand, dass es in der Kölner Gerichtsbarkeit grundlegende strukturelle Kompetenzstreitigkeiten zwischen Erzbischof und Rat gab, die Ausweitung und Dauer der Verfolgung durchaus bremsten. Im übrigen warnte auch Martin Luther entschieden vor Hexen, und die deutschen Protestanten entfachten -- außerhalb des rekatholisierten, "hilligen" Köln -- ebenfalls gerne Scheiterhaufen. Hoch interessant ist der differenzierende Blick auf andere deutsche Städte und Regionen sowie europäische Nachbarländer. Kamen im europäischen Durchschnitt auf einen wegen Hexerei verurteilten Mann vier Frauen, so wurden auf Island und in Estland doch überwiegend männliche "Hexenmeister" verbrannt; auch im deutschen Würzburg betrug das Geschlechterverhältnis (in der Hinrichtungswelle von 1627 bis 1629) 50:50. Der politisierte, moralische Zeigefinger bleibt bei Irene Franken und Ina Hoerner seriöserweise unten -- zugunsten eines nüchternen, dennoch einfühlsamen Historikerverstandes, der Verfolger wie Verfolgte als Kinder ihrer Zeit belässt, statt Damaliges unmittelbar auf heutige Verhältnisse zu übertragen. Nicht zuletzt glänzt diese Publikation durch eine auffallend schöne, fast liebevolle Aufmachung, die zeigt, wie sehr sie dem Emons-Verlag am Herzen lag. --Stephanie Sellier
|