Ich weiß um deine dunkle Seele: Italien-KrimisTaschenbuch, 15.04.2008
Als Schönheitschirurg sollte man nicht kokainabhängig sein. Und man sollte sich nicht vor einer Brustvergrößerung drei Streifen von dem weißen Zeug durch die Nase ziehen. Wenn man es aber tut, ist es gut, wenn man seinen ganzen Drogenvorrat mit in den Operationssaal nimmt. Denn wenn die Polizei kommt, um einen zu verhaften, kann man statt des Silikonkissens gleich die ganze Koksration implantieren. So macht es Professor Paolo Bocchi in Mein ein und alles, der Eröffnungsgeschichte des Erzählbands Ich weiß um deine dunkle Seele. Bocchi wird wegen Veruntreuung von Spendengeldern für kambodschanische Kinder verhaftet, und das süchtig machende Brustimplantat schmückt seitdem das Innenleben des italienischen Fernsehsternchens Simona Somaini. Es steht ihr gut, denn es macht die Somaini zu einem richtig steilen Zahn: "Ihre beiden Oberschenkel waren so lang wie die Umgehungsstraße Ost und endeten in zwei Halbkugeln, die so perfekt wirkten, als habe der Architekt Renzo Piano sie geformt", heißt es in der Geschichte von Niccolò Ammaniti und Antonio Manzini. Und ihre Brüste stehen "auf dem Oberkörper wie zwei spitze Trulli aus Apulien.". Ganz so komisch wie in diese Erzählung, die in ihrem weiteren Verlauf davon handelt, wie Bocchi versucht, mit Hilfe des abgetakelten Imitators eines argentinischen Fußballstars an die Innereien des TV-Sternchens zu kommen, geht es nicht immer zu in diesem Sammelband mit neun italienischen Kriminalgeschichten, zu dem unter anderem Andrea Camilleri, Giorgio Faletti und Carlo Lucarelli Texte beigesteuert haben. Aber sie haben alle ihren eigenen Reiz und eine immer wieder ganz eigenwillige Spannung. Wie ein Polizist aus falsch verstandenem Ehrgeiz zum Mörder wird oder eine harmlose Leidenschaft aufgrund von Missverständnissen einen tödlichen Impuls erhält -- all dies ist überaus vergnüglich zu lesen. Und noch etwas zeigt i>Ich weiß um deine dunkle Seele in Vollendung: Dass man eine Kriminalerzählung ganz anders als einen Kriminalroman aufbauen muss. Lange Spannungsbögen fehlen, die Figuren können nicht aufwändig entwickelt werden. Und das sind Aspekte, die den Lesegenuss alles andere als schmälern. --Thomas Köster
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