Seilschaften: Die verdrängte Vergangenheit des Auswärtigen AmtsHans-Jürgen Döscher
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Einen solchen Eklat hatte es im Auswärtigen Amt bis dahin noch nicht gegeben: Nachdem Außenminister Joschka Fischer einem verstorbenen Diplomaten aufgrund dessen Nazi-Vergangenheit ein "ehrendes Gedenken" im amtsinternen Mitteilungsblatt verwehrt hatte, schalteten 128 ehemalige Diplomaten ein ganzseitiges, namentlich gezeichnetes Zeitungsinserat in der Frankfurter Allgemeinen Zeitung "in memoriam Franz Krapf". Darin versicherten sie dem Botschafter a. D. (und früheren S S- und S D-Mann) ihr ganz persönliches, ehrendes Andenken. Dafür, lautet unser Fazit aus dem hier angezeigten Buch, sollten sie sich schämen! Die Untersuchung, in der Döschner die Ergebnisse seiner früherer, seit längerem vergriffenen Studien Das Auswärtige Amt im Dritten Reich und Verschworene Gesellschaft aktualisiert zusammenführt, rekonstruiert akribisch recherchiert die personalpolitische Tradition des Auswärtigen Amtes auf der Grundlage einer Vielzahl von Quellen, die teils erst seit kurzem zugänglich sind. Die referierten Tatbestände lassen die Ungeheuerlichkeit der jüngsten Verwerfungen zwischen dem Minister und (ehemaligen) Mitarbeitern des Auswärtigen Dienstes in grellstem Licht erscheinen. " Da sich die Bundesrepublik Deutschland aus der Überwindung und Negation des nationalsozialistischen Unrechtsstaats legitimiert", schreibt Döscher mit Blick auf den Fall Krapf, "zeugt das Verlangen nach ehrendem Gedenken für einen ehemaligen S S-Führer im Jahre 2005 von bemerkenswerter Indolenz". Krapfs Nazi-Vergangenheit ist dabei leider kein Einzelfall: Ganze Seilschaften von Ex-Nazis waren nach dem Zweiten Weltkrieg am Aufbau des A A in Bonn beteiligt. Und auch mit der Legende von der angeblich "unpolitischen Behörde", die das Amt während der Zeit des Dritten Reiches gewesen sein soll, räumt der Autor auf. Ein Buch, auf dessen Lektüre jeder einzelne Mitarbeiter des diplomatischen Corps verpflichtet werden sollte! - Andreas Vierecke
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