Judenmord: NS-Politik, Zwangsarbeit und das Verhalten der TäterChristopher R Browning
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Unter dem prägnanten Titel < I> Judenmord greift der Historiker Christopher R. Browning drei Themenkomplexe auf, die im Zentrum der derzeitigen Holocaust-Forschung stehen:< B R> 1. Die Entscheidungsfindung und die politischen Weichenstellungen im Nervenzentrum des N S-Regimes, die zur so genannten " Endlösung" führten; 2. der pragmatische und vorübergehende Einsatz jüdischer Arbeitskräfte und die daraus resultierenden Folgen für diejenigen unter den Opfern, deren Lebensfrist dadurch um eine begrenzte Zeit verlängert wurde; und 3. die Einstellungen, Motivationen und Wandlungen der "gewöhnlichen" Deutschen, die die Vernichtungspolitik an Ort und Stelle vollstreckten. < P> Bis heute ist der genaue Zeitpunkt umstritten, an dem die endgültige Entscheidung zur Vernichtung der europäischen Juden fiel. Browning hält den Oktober 1941 für das entscheidende Datum. Damals signalisierte Hitler sein Einverständnis, die Juden zu Vernichtungszentren im Osten zu transportieren. Ein ausdrücklicher Befehl war dazu nicht erforderlich. Himmler wusste, was von ihm erwartet wurde und machte sich unverzüglich daran, die alptraumhaften Visionen seines " Führers" in die Tat umzusetzen. < P> Vor Ort waren es die "ganz normalen Männer", die das Mordprogramm vollzogen. Doch wie Browning bereits in seiner richtungsweisenden Studie zum Reserve-Polizeibataillon 101 herausarbeitete, bildeten die Täter keine homogene Gruppe. Vielmehr gab es einen maßgeblichen "harten Kern" ideologischer Überzeugungstäter, unterstützt von der Masse der Mitläufer, die sich zu Werkzeugen der Vernichtungspolitik machen ließen. Lediglich eine Minderheit von 10 bis 20 Prozent entzog sich der direkten Beteiligung an Mordaktionen, stellte das Morden aber nicht infrage. Ihr Nichtmitmachen wurde toleriert und hatte keine disziplinarischen Folgen. Offenen Protest wagten aber nur die Wenigsten, und diese hatten mit scharfen Gegenreaktionen zu rechnen. < P> Einen "harten Kern" ebenso mordwilliger wie ehrgeiziger Täter und das Mitläufertum der "gewöhnlichen Deutschen" - mehr brauchte es nicht, um den extremsten Völkermord in der Geschichte der Menschheit zu inszenieren. < I>-Stephan Fingerle
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