Das Reich des Zufalls: Wissen zwischen Wahrscheinlichkeiten, Häufigkeiten und UnschärfenGerd Gigerenzer, Zeno Swijtink, Theodore Porter, Lorraine Daston, John Beatty, Lorenz Krüger
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" Statistiker haben jeden Zweig der Wissenschaft mit einem Tempo überrannt, das lediglich mit dem von Attila dem Hunnen verglichen werden kann. " Dieses Zitat haben die Autoren von < I> Das Reich des Zufalls einem ihrer Kapitel vorangestellt. Aber warum und vor allem wie konnten Statistiker unser Leben und vor allem das der Forscher derart erstürmen? < P> Nicht nur Spieler wissen: Der Zufall bestimmt unser Leben auf vielfältige Weise. Er spielt eine wichtige Rolle in der Evolutionstheorie, in der Physik, in der Hirnforschung und der Soziologie, um nur einige Beispiele zu nennen. Gott würfelt eben leider doch. Die Werkzeuge, mit dem Forscher, die sich nach harten Fakten sehnen, dem Gespenst Zufall auf den schwer faßbaren Leib rücken, heißen Statistik und Wahrscheinlichkeitsrechnung. Sie haben Einfluß auf die Versuchsplanung und Ethik ( Beispiel: Doppelblindstudie in der Medizin), auf die Auswertung der Ergebnisse ( Bewerten von " Ausreißern", Signifikanztests) und sogar auf die Theoriebildung. < P> Wenn man sieht, welchen Rang die Statistik heute innehat, wundert man sich schon, wie spät in der Wissenschaftsgeschichte die Statistik erst geschmiedet wurde. Ausgangspunkt waren bezeichnenderweise Gedanken, die sich der bekannte Mathematiker Blaise Pascal über Gewinnchancen bei einem Spiel machte (unter dieser Nähe zum Anrüchigen litt die Zunft recht lange). Die Geschichte von Pascals Denkspielen bis zur heutigen Teilchenphysik, den Meinungsumfragen, ja sogar der komplexen Baseballstatistik haben die sechs Autoren dieses Buches mit hoher Detailschärfe aufgeschrieben. Dabei beschränken sie sich nicht darauf, die dazugehörige, knifflige Mathematik herzuleiten - tatsächlich kommen im Buch nur sehr wenige Formeln vor - vielmehr raffen sie die historische Entwicklung der Zufallswissenschaften während der letzten 300 Jahre und - sehr schön! - stellen die Erkenntnisse in das gesellschaftliche Umfeld der jeweiligen Zeit. Dabei kommen zuweilen recht amüsante Fakten zutage: Während sich die Mathematiker etwa bemühten, das Risiko von Lebensversicherungen kalkulierbar zu machen, scherte sich die Branche seinerzeit kaum um die Ergebnisse - weil Leibrenten im London früherer Jahrhunderte vielfach getarnte Kreditrückzahlungen waren, für die der Wucherparagraph nicht galt. Pech für Pascal, Poisson, Bernoulli, Gauß, Maxwell & Co. , alles große Namen, die sich um die Statistik verdient gemacht haben. < P> Leider werden Gigerenzer und seine Mitautoren ihrem Anspruch, ihr Buch auch für Laien geschrieben zu haben, an manchen Stellen nicht ganz gerecht. Auch, daß in einem derartigen Band auf über 300 Seiten nur eine einzige Abbildung zu finden ist, ist nicht mehr zeitgemäß. Da tröstet es wenig, daß es sich beim < I> Reich des Zufalls "nur" um eine Überarbeitung einer bereits 1989 erschienenen englischen Ausgabe handelt - auch damals galten schon andere Maßstäbe. < P> Dennoch: < I> Das Reich des Zufalls ist ein sehr lehrreiches Buch, das trotz einiger didaktischer Schwächen einen hochinteressanten Überblick über die Entwicklung der Statistik bietet, der die Grenzen zwischen den Disziplinen weit hinter sich läßt. Biologen, Physiker, Soziologen und andere Wissenschaftler, die sich vielleicht schon länger fragen, " Wie kann ich meinen Statistiker besser verstehen? " werden in diesem Band die Antwort finden. Manch einen mag trösten, daß längst nicht alles, was in den Statistiklehrbüchern präsentiert wird, unumstößliche Weisheiten sind. Viele statistische Verfahren waren und sind unter Experten bis heute umstritten. Auch das zeigt dieses Buch und hilft damit, die eigenen Ergebnisse besser einzuordnen. Und manch einen mag vielleicht einfach interessieren, was die Statistiker im Revier des Kollegen von der Nachbarfakultät so alles anrichten. < I>-Stefan Albus
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