Bin ich ein Mörder? Das Testament eines jüdischen Ghetto-PolizistenCalel Perechodnik
Taschenbuch
Das Saeculum geht zu Ende. Seine Katastrophen haben uns mit Bibliotheken dunkler Bücher versorgt, die bald kaum noch jemand lesen dürfte. Calel Perechodniks Bin ich ein Mörder? aber dürfte auch in Jahrhunderten noch hin und wieder auftauchen, hervorgezogen aus einer staubigen Ecke, um zufällige und ahnungslose Leser mit bösen Träumen zu versorgen. Der polnisch-jüdische Autor, geboren 1916 in Warschau, in Frankreich zum Ingenieur ausgebildet, heiratet 1938 und wird Vater. Nach der deutschen Besetzung Polens 1939 und der Errichtung der Ghettos läßt er sich von den Deutschen als Polizist anwerben. Er glaubt, auf diese Weise sich und die Seinen retten zu können. Er kann es nicht, ja er liefert die eigene Frau und das zweijährige Töchterchen selbst in den Viehwagon, der - grausame Täuschung - nicht in die Sicherheit fährt, sondern nach Treblinka. Perechodnik fällt 1944 im Warschauer Ghettoaufstand. Er hatte sich vorgenommen, Frau und Kind mit der Waffe zu rächen. Sein Manuskript, geschrieben während Frühjahr und Sommer 1943, überdauerte bei einem nichtjüdischen Freund. Zuerst veröffentlicht wird es 1993, hier nun die deutsche Übersetzung. Dies ist kein Erinnerungsbuch. Es handelt sich um unmittelbare Aufzeichnungen. Bilder aus der Hölle. Einer Hölle aus Verrat und menschlicher Gemeinheit. Ein sehr detaillierter Bericht. Wer glaubt, alles schon zu kennen, zu wissen, gelesen zu haben und überhaupt, 1943 sei schließlich lange her, der sollte dieses Buch lesen. Denn seine Unmittelbarkeit setzt sich über unsere Coolness hinweg. Frommere Generationen hätten es vermutlich mit dem entsetzten Seufzer zugeschlagen: "Gott sei unserer Seele gnädig!" -Michael Winteroll
|