Kant. Eine BiografieManfred Kühn
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In der Geringschätzung ihrer kulturellen und auch sonstigen Leistungsträger sind die Deutschen ja bekanntlich unschlagbar. Und dieser unschöne Zug hat offenbar eine längere Tradition. Die Art und Weise jedenfalls, wie schon bedeutungslose Neider unter den Zeitgenossen begannen, die Person des unbestrittenen deutschen Philosophenkönigs Immanuel Kant (1724-1804) zur Karikatur herabzuwürdigen, noch ehe seine Leiche richtig kalt war, ist geradezu phänomenal. Vor allem mit Blick auf die Nachhaltigkeit, die die ungeprüft perpetuierten und weiter ausgeschmückten Tiraden bis auf den heutigen Tag entfaltet haben. Kant wurde in den Werken seiner spärlichen Biografen, die über die ersten 60 Jahre seines Lebens so gut wie nichts erzählten, zu einer "flachen Persönlichkeit" degradiert. Zu Unrecht, wie Manfred Kühn anlässlich des Kant-Jahres 2004 in einem beeindruckenden Werk über den großen Denker aus Königsberg überzeugend darlegt. < P> " Alle Behauptungen über die fast mechanische Regelmäßigkeit, die Kants Leben beherrschte", meint der in Marburg lehrende Philosophieprofessor, "registrieren in Wirklichkeit mehr die Zeichen seines fortgeschrittenen Alters und das Nachlassen seiner Kräfte, als daß sie den Charakter des Menschen enthüllen, der die Werke konzipierte und schrieb, für die er heute bekannt ist. " Kühn macht Schluss mit dem Bild vom kauzigen Eigenbrödler und zeichnet stattdessen das Porträt eines lebenszugewandten und geselligen Freigeistes, weit entfernt vom Pietismus, dem man ihm andichtete. < P> Das Schwergewicht auf Autonomie als Schlüssel zur Sittlichkeit in Kants Philosophie, seine Legitimation einer autonomen Moralität, die auf der Freiheit des Willens beruht - all dies gilt dem Autor als Kampfansage gegen jene, die uns versklaven möchten, indem sie unseren Willen brechen. Gestählt durch die bitteren Erfahrungen unter der Knute des Collegium Fridericianum und als Riemerssohn fest verwurzelt in dem auf Ehre bedachten Ethos eines unbeugsamen zünftigen Handwerks, sieht Kühn in Kant in vielfacher Hinsicht einen Vertreter der Avantgarde seiner Zeit. < P> Natürlich hatte der Mann seine Ecken und Kanten. Das kann auch Kühn nicht verhehlen. Ein trockener Charakter mit trockenem Humor sei er gewiss gewesen. Was aber durchaus nicht schlecht ankam, wie seine vielfältigen Sozialkontakte und seine Jüngerschar an der Universität Königsberg belegen. Kühn macht als entscheidende Zäsur in Kants Leben den Tod seines langjährigen Freundes Joseph Green 1786 aus. Und es sieht tatsächlich so aus, als sei mit dem feingeistigen englischen Kaufmann, dessen prinzipien- respektive maximengeleiteter Lebenswandel Kant so sehr imponierte, ein Teil seiner selbst gestorben. < P> Manfred Kühns erklärte Absicht war es, eine Biografie vorzulegen, die zugleich den gewandelten Leserinteressen als auch den Anforderungen der Forschung Rechnung trägt. Dies ist ihm mit Bravour gelungen. Das Buch wendet sich übrigens ausdrücklich auch an interessierte Laien, denen der Autor freistellt, die Details aus Kants sperriger Philosophie einfach zu überblättern. < I>-Roland Detsch
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