POP: Seit 1964Taschenbuch
Pop Art und Popmusik - längst sind dies etablierte Gattungsbegriffe. In Sachen Popliteratur jedoch herrscht immer noch Unklarheit in der Deutung, sträubt sich manche Rezensentenfeder, werden die Definitionen verwaschener. Schnelllebiger Pop, genialische Wegwerfware, die sich zur eigenen Kunstform erhob und hehre, nichts weniger als Ewigkeit anpeilende Literatur? Gehen diese zwei Begrifflichkeiten überhaupt zusammen? Letztgültige Wahrheiten konnten auch die Herausgeber dieser Anthologie, Kerstin Gleba und Eckhard Schumacher, trotz ehrfurchtgebietend akademischem Begleittext nicht zutage fördern. Immerhin, soviel scheint klar: Pop ist weniger Thematik denn Haltung. Was auf 400 satten Seiten zu überprüfen wäre. Der vorliegende Reader versammelt in chronologischer Folge "essayistische, journalistische und erzählende" Texte ausschließlich deutschsprachiger Provinienz seit 1964. Warum 1964? Fragen wir Warhol: " Everything went young in '64". Stimmt! Pop war zwar schon länger da, nun jedoch ging es in den " Underground? , es wurde schrill, politisch, psychedelisch. Von allen Seiten flossen Kunstrinnsale zu einem großen Strom zusammen. Form triumphierte über Inhalt. Die Dosensuppe als Stil-Ikone. Einzig die deutsche Literatur lahmte, rang um Worte und Fassung in diesen Umbruchzeiten. Zaghaft tauchte der Begriff " Pop-Literatur" zum ersten Mal bei Rolf Dieter Brinkmann, Peter Handke und Hubert Fichte auf, der hier mit seinem Kultwerk Die Palette auszugsweise vertreten ist. Drei historische Blöcke - die Sechziger-, Achtziger- und Neunzigerjahre umklammernd, - gewähren Einblick ins Frühwerk von Jörg Fauser, H. C. Artmann, Elfriede Jelinek, Rainald Goetz und Diedrich Diederichsen. Folgt die " Enkelgeneration" mit Namen wie Moritz von Uslar, Joachim Lottmann, Benjamin von Stuckrad-Barre, Sibylle Berg, Alexa Hennig von Lange und - last but not least, - Christian Kracht, der mit Faserland dem Begriff des Popromans neues Leben einhauchte, und bis zu dessen endgültiger Grablegung die bundesrepublikanische Geschmacksdebatte hoheitlich dominierte. Dürfen oder sollen wir überhaupt auf ein Weiterleben dieses merkwürdigen Pflänzchens namens Poproman hoffen, das auf solch elende Weise zugrunde ging? Der Verlag Kiepenheuer & Witsch, den schon immer eine innige Verbindung zu dem Genre auszeichnete, hat jedenfalls schon mal ein schönes Denkmal meißeln lassen. < I>- Ravi Unger
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