Bildbar und verwertbar: Utilitätsdenken und Vorstellungen der Bildbarkeit behinderter Menschen Ende 18. und Anfang 19. Jahrhunderts in FrankreichUrsula Hofer-Sieber
Taschenbuch
Ist die angelsächsisch-französische Aufklärung mit ihrer Betonung von Perfektibilität, Rationalität und Nützlichkeit gegen einen gesellschaftlichen Einbezug behinderter Menschen gerichtet?
Die vorliegende Schrift will im ersten Teil die Beweisführung gegen diese in heilpädagogischer Diskussion oft geäußerte Kritik aufgrund historischer Quellentexte antreten. Aus den ersten Bildungsversuchen sinnesbehinderter Menschen in Paris zur Zeit der Aufklärung lässt sich ablesen, dass das Nützlichkeitsdenken der Aufklärungszeit nicht primär gesellschaftlich bestimmt, sondern insbesondere auch individuumsbezogen angelegt war. Die sensualistische Philosophie erlaubte eine Sichtweise von Behinderung, die nicht länger mit unausweichlichem Schicksal, Schande und entsagungsvoller Existenz gekoppelt war, sondern optimistische Setzungen von erfülltem Leben auch bei vorliegender unheilbarer Behinderung vornehmen konnte.
Die aufklärerische Vorstellung ging vom grundlegenden Anrecht aller Menschen auf Unterricht und Bildung, als Mittel zur Verringerung von Ungleichheit und Abhängigkeit aus. Diese verband sich allerdings bereits im Übergang zum 19. Jahrhundert mit der Forderung, dass sich das Besondere dem Allgemeinen, den normbestimmenden gesellschaftlichen Vorgaben unterzuordnen habe. Dieser Perspektivenwechsel und dessen Folgen für die eben erst einer umfassenden Bildung zugeführten blinden und gehörlosen Menschen gelangen im zweiten Teil des Buches zur Darstellung.
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