Guck doch mal hin !: Was es in Bildern zu entdecken gibtArasse Daniel
Gebundene Ausgabe
Dem Kunstwissenschaftler Daniel Arasse will es einfach "nicht in den Kopf", dass jemand ein Bild betrachten kann, ohne "zu sehen, was Maler und Bild dir vor Augen stellen". Dies wohl ist der Grund, warum er jetzt seine " Sehschule" vorgelegt hat: Bildbetrachtungen in Brief- oder Gesprächsform zu Tintorettos Venus, Mars und Vulkan (1550), Francesco del Cossas Verkündigung an Maria(1470-72), Pieter Brueghels Anbetung der Könige (1564), Las Meninas von Velasquez und zu Tizians Venus von Urbino. Letztere wird von Arasse als eine Art " Matrix des weiblichen Akts" begriffen, als eines der ersten Bilder nicht einer "nackten", sondern einer "entkleideten" Frau, in der die Dialektik von Sehen und Berühren, die erotischer Kunst per se innewohne, auf einer höheren Ebene transzendiert erscheine. So klingt das, wenn man eine der zentralen Thesen des immerhin 34-seitigen Dialogs, den das Alter Ego des Autors mit seinem Kritiker veranstaltet, platt zusammenfasst. Als differenzierte Diskussion zweier Streithähne um Perspektive oder merkwürdige braune Linien am Bettrand der Venus aber ist dies überaus vergnüglich und erhellend zu lesen. " Wie ein Taschenspieler zaubern Sie einen Hasen nach dem anderen aus Ihrem Zylinder", moniert besagter Kritiker dieses Vorgehen - wieder eine Anspielung in der Anspielung auf Tizians Venus-Bild, auf dem ja im Hintergrund (oder ist es gar kein Hintergrund? ) eine Magd in einer Hochzeitskiste (wirklich eine Hochzeitskiste? ) kramt. Ein wenig stimmt das, denn viel an Arasses Prosa ist - wenn auch brillante - Show. Was er dann aber an Erkenntnissen aus seinem Wissenshut zaubert, wie er es schafft, gewohnte Sehweisen zu hinterfragen und neue Blickwinkel anzubieten, das ist schon sehr gekonnt. So heißt denn auch das Kapitel über Las Meninas, in dem sich nicht zuletzt - Foucault hat darauf hingewiesen - das Selbstbewusstsein des im Bild mitporträtierten Malers spiegelt, " Das Auge des Meisters". Was Velasquez für die Kunst, das ist Arasse ein wenig für die Kunstgeschichte: Mit meisterlichem Blick enthüllt er dem Leser Dinge, die eigentlich ganz offen liegen. -Thomas Köster
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