Deutsche Medizin im Dritten Reich: Karrieren vor und nach 1945Ernst Klee
Gebundene Ausgabe
Braune Gesinnung unter weißen Kitteln - das gab es im Dritten Reich zuhauf. Mediziner beteiligten sich in großem Ausmaß an nationalsozialistischen Verbrechen. Sie waren Vordenker der Vernichtung: Lange vor Hitler hatten Ärzte gefordert, " Schädlinge" - zum Beispiel Behinderte - zu sterilisieren oder "erbkranke" Kinder "auszumerzen". Sie begutachteten jene Patienten, die im Zuge der " Euthanasie"-Aktion als "lebensunwertes Leben" eingestuft und umgebracht wurden. Und sie schlachteten die Leichen der Ermordeten als willkommenes Forschungsmaterial aus - Hirnforscher etwa bedienten sich hemmungslos an Gehirnpräparaten aus K Zs und Gaskammern. < P> Ernst Klee, Autor von Auschwitz, die N S-Medizin und ihre Opfer, ist ein ausgewiesener Kenner der Materie. Er dokumentiert in seinem neuen Buch unzählige Fälle, in denen Mediziner sich zwischen 1933 und 1945 von allen ethischen Standards ihres Berufes abkehrten. Der Nationalsozialismus eröffnete den Wissenschaftlern ungeahnte Perspektiven: Medizinische Experimente am Menschen ließen sich nun ungehindert durchführen. So wurden in Konzentrationslagern tausende Häftlinge zu Tode malträtiert, vorgeblich im Dienste der Wissenschaft. < P> Zudem erhielten Ärzte eine herausragende Aufgabe im N S-Staat: Sie waren als "biologische Soldaten" für die Gesundheit des " Volkskörpers" verantwortlich. Ihre Aufgabe bestand nicht mehr darin, den Schwachen und Kranken zu helfen, sondern den " Volkskörper" vor ihnen zu schützen - durch Selektion und Mord. < P> " Nie hatten Mediziner mehr Macht über Menschen als in der Nazizeit", schreibt Ernst Klee. Akribisch hat der Autor die Verbrechen des Standes erforscht. Und er nennt die Täter beim Namen. Dies ist keine Selbstverständlichkeit, denn allzu lange wurden das Verhalten von Ärzten im Nationalsozialismus verdrängt und vertuscht. Kaum jemand musste nach 1945 längere Strafen fürchten. Die meisten N S-Ärzte kehrten schnell in Amt und Würden zurück. < P> Das in nüchterner Sprache verfasste Buch schildert eindrücklich die Skrupellosigkeit von höchst angesehenen Medizinern und wissenschaftlichen Institutionen. Es liefert intensive Einblicke in ein düsteres Kapitel deutscher Geschichte und ist ein Appell an Medizin, Wissenschaft und Gesellschaft, sich endlich mit ihrer N S-Vergangenheit auseinander zu setzen. < I>-Christoph Peerenboom
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