Vergessener Völker Müdigkeiten. Friedhöfe in den Kronländern der ehemaligen k.u.k. MonarchieSusanne Schaber
Gebundene Ausgabe
Die österreichische Monarchie setzte sich aus einer Vielzahl von Volksgruppen zusammen, unterschiedlich in ihren Sprachen, Religionen und damit auch in ihren Riten, die den Menschen halfen, dem Tod und ihren Toten zu begegnen. Im östlichen und südöstlichen Mitteleuropa haben sich (noch) einige Friedhöfen erhalten, die Zeugnis ablegen von jener Vielfältigkeit, die nun in einem stimmungsvollen Bildband dokumentiert werden. < P> In Ungarn war es vielerorts üblich, einem Neugeborenen einen Baum zu pflanzen. Aus ihm wurde später ein Grabholz geschnitzt, oft kunstvoll verziert, an den Bug eines Bootes erinnernd. Weitläufig auf Hügeln gelegen, wirken die Friedhöfe mit diesen Grabhölzern wie Häfen mit gestrandeten Kähnen. < P> Einer der berühmtesten jüdischen Friedhöfe ist der Alte Jüdische Friedhof in Prag. 200. 000 Menschen wurden hier seit dem 15. Jahrhundert auf nur etwas mehr als einem Hektar begraben, etwa der mythenumwobene Rabbi Löw. Auf andere Art herausragend ist der Lytschakov-Friedhof in Lemberg: Im 18. und 19. Jahrhundert entstanden seine Steinfiguren, Engel, Sphinxen, Amazonen, Nymphen. Ihre Gesichter voll Trauer und Wehmut, die Körper jedoch sinnlich von drapierten Kleidern umhüllt - Erotik kann in der Nähe des Todes sehr tröstlich sein. Und wie einfach dagegen die islamischen Friedhöfe, nur schmale Stelen werden eng an eng gesetzt, kaum verziert. < P> Noch interessanter als die stimmungsvollen Schwarzweißfotos des Bandes sind die geschichtlichen und politischen Abrisse: Natürlich wird auf den Holocaust eingegangen, oder auch auf die Auswirkungen des Bosnienkrieges - sie hätten jedoch durchaus noch tiefer gehen können. Ungetrübte Freude bereiten die zahlreichen literarischen Querverweise sowie eine höchst anregende Literaturliste im Anhang. Und so ist < I> Vergessener Völker Müdigkeit. Friedhöfe in den Kronländern der ehemaligen k. u. k. Monarchie nicht nur ein Coffeetable-Buch für die besinnliche Jahreszeit, sondern vor allem eine Anregung, Gegenden in Europa zu bereisen, die uns geografisch so nah sind und doch so unbekannt. < I>-Christa Petri
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