Auf den Feldern der Ehre: Die Tragödie des Soldaten Pat TillmanJon Krakauer
Taschenbuch
Nach annähernd 450 Seiten aufwühlender Ermittlungsarbeit schlägt man das Buch zu, erschöpft und verzweifelnd an dieser Welt der Kriegsrituale auf gar nicht so ehrenhaften Feldern. Erzählt wird das tragische Ende des 27-jährigen Footballstars Pat Tillman, einem Grenzsucher, immer ins Risiko verliebt, dabei stets dem tieferen Sinn des Lebens nachspürend. Mit den Anschlägen des 11. September 2001 fand diese Sinnsuche schlagartig ihre Erfüllung. Nicht wenige U S-Bürger staunten damals, als der " Safety" der Arizona Cardinals einen millionenschweren Vertrag in der N F L in den Wind schlug, um sich bei der U S-Army einzuschreiben. Die Patriotismuswelle hatte Pat Tillman erfasst und er beschloss, am Hindukusch sein Land gegen al-Qaida und die Taliban zu verteidigen. Es kam anders. In der Abenddämmerung des 22. April 2004 fand Specialist Tillman auf einem felsigen Hügel im Südosten Afghanistans sein grausames Ende. Er starb im Feuerhagel der eigenen Kameraden! " Maverick", so pflegen Amerikaner Menschen wie Pat zu nennen. Unkontrollierbare einsame Wölfe, nur der eigenen Idee verpflichtet. Charaktere, wie sie Jon Krakauer seit jeher magisch anziehen. Wie ein akribischer Detektiv - und in der würdigen Nachfolge eines Norman Mailer -, schreitet Krakauer Pats Leben minutiös ab. Er entwirft das Bild eines förmlich Getriebenen, der sich nur in der Waghalsigkeit zu spüren vermochte. Großherzig und aufopfernd einerseits, unbarmherzig in seinen Aggressionsschüben, wenn er seinen unstillbaren Gerechtigkeitssinn verletzt sah. Zusammen mit Kevin, dem jüngeren Bruder, durchlief der durchtrainierte Pat die knallharte Ranger-Spezialausbildung der U S-Army. Nach den Highschool- und Footballjahren betritt Krakauer nun den Kriegsschauplatz. Er tut dies mit aller gebotenen Sorgfalt, umfangreichem Kartenmaterial, akkuraten Mannschaftslisten, und einer der Dramatik des Geschehens angemessenen Sachlichkeit, die dennoch vor Spannung bebt. Pat Tillmans erster Irak-Einsatz galt der Befreiung der hübschen Soldatin Jessica Lynch, die damals als T V-taugliche Kriegs-Ikone auf allen Kanälen gefeiert wurde. Krakauer rückt die vom Militär damals propagierte Faktenlage gnadenlos zurecht. Ironischerweise sollte der spätere Tod des Footballstars ähnlich propagandistisch ausgeweidet werden. Man hasst inzwischen das Kriegsgeschehen und seine heroisch hohlen Rituale, die windigen Ehrbegriffe, die dreiste Irak-Lüge und den schauerlich verniedlichenden Begriff des "friendly fire", des " Freundbeschusses". Diesem kommt am Ende die Hauptrolle zu. Folgen wir also Pat Tillman und den 44 Army-Rangern auf dem Weg zu ihrem letzten Gefecht. Ein liegengebliebener Humvee soll geborgen werden. Mitten in der afghanischen Provinz Khost. Einer Talibanhochburg. Der Befehl, den Zug zu teilen, sollte sich als verhehrend erweisen. Die Lektüre wird zunehmend härter. Dann fallen die Schüsse? und ein ehemaliger Footballstar namens Pat Tillman steigt endgültig in den nationalen Heldenhimmel auf. Krakauer hat Pats Frau Marie befragt, vor Ort recherchiert, Briefe und Tagebucheinträge zu Rate gezogen, schließlich Pats Kameraden interviewt. Starke Waffen gegen eine U S-Administration, die nach den Folterfotos von Abu Ghreib und einer drastisch sinkenden Kriegsbegeisterung die wahre Todesursache Pat Tillmans gnadenlos verschleiern wollte. Selbst die Angehörigen wurden im Unklaren gehalten, wie und durch wen Pat ums Leben kam. Jon Krakauer, dieser notorische Chronist ebenso notorischer Grenzgänger, hat den Nebel der Propaganda durchdrungen. Was man danach zu sehen bekommt, ist ebenso zum Fürchten. Pat Tillmans Schicksal wird uns noch lange verfolgen. < I>-Ravi Unger
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