Häresie im Mittelalter. Von den Katharern bis zu den Hussiten.Gebundene Ausgabe
Als Wazo, Bischof von Lüttich (um 985 - 1048) gefragt wurde, "wie man mit Häretikern umgehen solle, führte er ein Wort der Heiligen Schrift an und sagte, man solle den Weizen mit dem Unkraut bis zur Ernte zusammen wachsen lassen. Viele Menschen wären gerettet und viel Leid verhindert worden, wenn man auf seine Worte gehört hätte. " Dies ist das resignative, zugleich jedoch faszinierende Resümee Malcolm Lamberts mit dem er sein großes Werk < I> Häresie im Mittelalter. Von den Katharern bis zu den Hussiten beschließt. < P> Der deutsche Untertitel ist jedoch irreführend, denn er suggeriert lediglich die rein chronologische Behandlung häretischer Gruppierungen und Bewegungen. Der englische Originaltitel < I> Popular Movements from the Gregorian Reform to the Reformation bezeichnet dagegen exakt den Gegenstand der Untersuchung: Entstehung, Geschichte und Verfolgung aus der Bevölkerung (gleich ob Laien oder Geistliche) heraus entstandener und von ihr getragener, vom herrschenden kirchlichen Dogma abweichender und von der Kirche verurteilter Glaubenslehren und Riten im Spannungsfeld von gescheiterter Kirchenreform seit dem 11. Jahrhundert bis hin zur Aufhebung der Kircheneinheit durch die Reformation im 15. /16. Jahrhundert. < P> Lambert sieht den Ursprung jeder Häresie zu Recht in der Aussage des Paulus-Briefes an die Korinther (1 Kor 11, 19): " Oportet esse haereses - es muss (unter euch) Spaltungen geben, auf dass die, die rechtschaffen sind, in eurer Mitte offenbar werden", und kennzeichnet sie damit als glaubensimmanente Problematik, deren Konsequenzen mit der Konstituierung des Christentums als allein gültige Religion zwangsläufig wurden. Er legt die Schwierigkeiten und Unsicherheit der lokalen wie zentralen Kirchenorgane im Umgang mit Häresien seit ihrem Wiederaufleben im 11. Jahrhundert offen, charakterisiert Persönlichkeiten, Schriften, Lehren und Ziele der einzelnen Häresien (auch unbekannterer) und verfolgt die allmähliche und schließlich perfektionierte Ausbildung theologischer wie praktisch-grausamer Erkennungs- und Bekämpfungsmechanismen. < P> Diese Entwicklungen sind eingebettet in den historischen Kontext von gescheiterter Kirchenreform sowie der daraus resultierenden Ablehnung durch die Bevölkerung, von Aufstieg, Machtkonzentration und Verfall des Papsttums, politisch-gesellschaftlichen Ereignissen und Rahmenbedingungen, von Kreuzzügen und Inquisition (beide eingesetzt als Instrumente gegen Häretiker wie z. B. Waldenser), ebenso wie von Volksfrömmigkeit, Mystik, Predigerorden und Konzilsgeschichte. < I> Häresie im Mittelalter ist daher nicht nur ein hervorragend geschriebenes Nachschlagewerk, sondern bietet en passant auch einen Querschnitt durch die mittelalterliche Geistesgeschichte. < P> Die Argumentation Lamberts ist luzid und differenziert, die Darstellung souverän. Zudem hat der Verfasser mit dieser vollständig überarbeiteten Ausgabe Mut zur Überprüfung und Korrektur zuvor vertretener Bewertungen aufgrund neuester wissenschaftlicher Erkenntnisse anderer bewiesen. Ein Standardwerk für den professionellen Historiker wie den Studenten und interessierten Laien mit umfangreichem Anmerkungsapparat, Auswahlbibliografie sowie Häretikerglossar. < I>-Osseline Kind
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