Geschichte der Kaiser-Wilhelm-Gesellschaft im Nationalsozialismus: Bestandsaufnahme und Perspektiven der ForschungTaschenbuch
Wissenschaft und Diktatur bilden ein Spannungsfeld, das gerade im Dritten Reich viel Stoff bietet. Die ideologisch verbrämte N S-Ausrottungspolitik stützte sich gerne auf ein quasi-wissenschaftliches Fundament, der Beitrag der Forscher hierzu ist eine brisante Frage, gerade weil viele davon im Nachkriegsdeutschland Karriere gemacht haben. Eine der großen Institutionen innerhalb der damaligen deutschen Forschungsgemeinde war die Kaiser-Wilhelm-Gesellschaft ( K W G). Deren 1948 aktivierte Nachfolgeeinrichtung Max-Planck-Gesellschaft trat ein schweres Erbe an. < P> Da nun aber die kritische Selbstbetrachtung keine spezifische Eigenschaft von Wissenschaftlern ist, bedurfte es einer gewaltigen Zeitspanne, bevor man sich seitens der Folgeorganisation zur Vergangenheitsbewältigung entschloss. Seit 1999 bearbeitet ein Forschungsprogramm dieses Thema, ein erstes Ergebnis ist die zweibändige < I> Geschichte der Kaiser-Wilhelm-Gesellschaft im Nationalsozialismus. Die Vorarbeit zu diesem Werk fand auf einer wissenschaftlichen Konferenz statt, entsprechend gestaltet sich der Inhalt: Rund 30 gemischtsprachige Einzelbeiträge ( Deutsch sowie Englisch) werden zwar von sieben Überabteilungen zusammengeklammert, sind inhaltlich jedoch sehr unterschiedlich ausgerichtet; zudem setzten ihre Verfasser bei den Lesern ein gewisses Grundwissen voraus. < P> Das Selbstverständnis der Forscher jener Tage, ihr Beitrag zur Legitimation des N S-Herrschaftssystems, die Rolle der Forschung für die Wirtschaft und Rüstung der Nazis gehören zu den generellen Punkten dieser Studiensammlung. Die Arbeit an Kaiser-Wilhelm-Einrichtungen, ihre Einbindung in den N S-Apparat und ihre Folgen für Forschung wie auch Politik sind K W G-spezifische Aspekte. Beide präsentieren Ernüchterndes, etwa beim Thema " Rassenforschung". < P> Der stark gegliederte Buchaufbau erleichtert dabei das Herausfiltern bestimmter Thematiken, auch über einzeln gelesene Aufsätze erhält man einen tiefen Einblick in die Wissenschaft im Dritten Reich. Selbst bei einer " Teillesung" dieser Bände wird offensichtlich, welche Bedeutung die Forschung für die Nazi-Diktatur und die Kriegsdauer hatte. Die Bände sind ein guter Anlass zur Reflexion über wissenschaftliches Wirken, sowohl für "normale" Leser als auch für die Verantwortlichen bei der Max-Planck-Gesellschaft. Denn die Forschung in der Gegenwart sollte auf einer sauber aufgearbeiteten Geschichte beruhen. < I>-Joachim Hohwieler
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