Jenseits der Einstellung. Schriften zur FilmtheorieSergej Eisenstein
Taschenbuch
Es gehörte zu den Grundannahmen der konstruktivistischen Montagetheorie Eisensteins, dass es möglich sei, durch das Aneinanderschneiden von Bildern Denkprozesse von Zuschauern anzuregen. Dieser muss die - intellektuell-begriffliche - Verbindung zwischen den Bildern herstellen. Darin ähnelt die semiotische Arbeitsweise der intellektuellen Montage derjenigen von Hieroglyphen, wie sie beispielsweise in der japanischen Sprache verwendet werden. Diese Form der Montage basiert nicht auf der Hoffnung, Einstellungen würden zu einer einheitlichen Raum-, Zeit- und Geschehensvorstellung synthetisiert, sondern auf der Kollision elementarer Bedeutungen - es entsteht ein Konflikt der Bildassoziationen (nicht nur der Bildinhalte, sondern auch solcher Parameter wie Tiefenschärfe, Einstellungsgröße oder Beleuchtungsstil). Allgemein wird Eisensteins Film Oktjabr ( Ud S S R 1928) als Beispiel angesehen, in dem Eisenstein die Reichweite des Konzepts der "intellektuellen Montage" demonstrieren wollte. Eine der Möglichkeiten der Gedankenverbindung ist die Verallgemeinerung: Eine Szene des Filmes zeigt russische Truppen, die - um "für Gott und Vaterland" zu kämpfen - auf St. Petersburg zumarschieren; die Handlung wird unterbrochen, es folgt eine schnell geschnittene Reihe von Standbildern von Figuren aus verschiedenen Kulturkreisen, die alle das Thema " Gott" haben. Ein anderer Typus ist die (kritische) Metaphorisierung: Zum Bild einer Jesuskrone werden Bilder anderer Gottheiten geschnitten, die die Einzigartigkeit, die Erlösungs- und Führungsrolle Jesus' in Frage stellen.
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