Das Gedächtnis der Kunst. Geschichte und Erinnerung in der Kunst der GegenwartKurt Wettengl
Gebundene Ausgabe
1988 überraschte Gerhard Richter die Kunstwelt mit seinem Zyklus 18. Oktober 1977, in dem er Pressebilder vom (vermeintlichen? ) Selbstmord einiger Mitglieder der Baader-Meinhof-Gruppe in ihren Zellen in Stammheim auf höchst originelle Weise ästhetisch deutete. In letzter Zeit hat der Disput um das Holocaust-Denkmal und das Jüdische Museum von Daniel Libeskind die Diskussion um eine "interpretativ erinnernde" Kunst neu entfacht. Wie intensiv sich die moderne Kunst bis zur Jahrtausendwende mit der (vor allem deutschen) Vergangenheit auseinandersetzte, zeigt der Katalog Das Gedächtnis der Kunst, der auf einer eindrucksvollen Ausstellung im Historischen Museum Frankfurt am Main basiert. Versammelt sind Gemälde, Collagen, Fotoarbeiten und Installationen von Jörg Immendorf, Alfred Hrdlicka, Marianna Abramovic, Richard Serra, Hanne Darboven und anderer - sowie einiger Künstler, die sich ebenfalls mit dem Holocaust beschäftigten, so Pietro Cascella oder Jochen Gerz. Schade sind da eigentlich nur die gelegentlichen Gedächtnislücken des ansonsten sehr gelungenen Bands: So hätte man sich eine stärkere Auseinandersetzung mit den minimalistischen Datumsbildern On Kawaras sehr gewünscht, die auf höchst originelle Weise asiatische und europäische Zeitauffassung verknüpfen. Dagegen ist mancher Beitrag vielleicht etwas platt geraten, so Jane und Louise Wilsons Videoinstallation Stasi City (1997), von der Standbilder zu sehen sind. Ansonsten aber gibt es immer wieder Überraschendes wie Günter Förgs erschreckend harmlos wirkende Fotoarbeit I G Farben-Haus I-X X V I I I (1996) oder Sigrid Sigurdssons Die Bibliothek der Alten (begonnen 2000), das mehr als versöhnt. Und dann enthält der Band noch Gehard Richters Stammheim (1994): 23 Übermalungen, die sechs Jahre nach Richters berühmten R A F-Zyklus entstanden - und die anschaulich zeigen, wie originell die Erinnerung des Künstlers immer wieder geraten kann. -Thomas Köster
|