Martin Luther und Thomas Münzer oder Die Einführung der Buchhaltung.Dieter Forte
Taschenbuch
Mit seiner Bibelübersetzung prägte der ausgebildete Jurist und Mönch Martin Luther entscheidend die volksnahe, hochdeutsche Sprache. Als Reformator ist er in die Geschichte eingegangen. Hier wird sein Wirken im Kontext der Reformation und des Bauernaufstands aus einer nicht ganz gewöhnlichen Perspektive dargestellt: Luther ist weniger Drahtzieher als Marionette. Im Mechanismus von Macht und Ausbeutung wird er zum Spielball der Interessen von Papst, von Jakob Fugger, dem Augsburger Handelsherrscher, und der Fürsten. Dass die Einführung der Buchführung in diese Zeit fällt, konkretisiert die zentrale Rolle des Geldes in diesem 1983 von Dieter Forte geschriebenen Hörspiel. Wer meint, Luther wäre in seinen Entscheidungen frei und unbestechlich gewesen, der wird hier eines Besseren belehrt: Luthers 95 Thesen gegen den Ablasshandel waren nicht in der Absicht verfasst worden, eine Revolution anzuzetteln oder gar, um eine neue Kirche zu gründen. Luther verfolgte keinerlei politische Absichten, wollte mit seinen Thesen nur einen wissenschaftlichen Diskurs herbeiführen. Dass er damit die Reformation auslöste und in der Folge den Bauernkrieg, lag daran, dass die drei Mächte - Papst, Kaiser, Kurfürst Friedrich von Sachsen - ihn für ihre Zwecke instrumentalisierten. Der eigentliche Motor ihres Handelns jedoch war es, die Beziehung zu Jakob Fugger, dem eigentlichen Herrscher Europas, positiv zu gestalten. Hatten doch alle bei der Fugger-Bank Schulden und waren so wirtschaftlich von ihm abhängig. Inszeniert wird das Geschehen der Zeit zwischen 1514 und 1525 in prägnanten Gesprächen mit punktgenauen Dialogen, gesprochen von einer erstklassigen Besetzung. Ob sich Friedrich von Sachsen (Hans Helmut Dickow) mit Spalatin (Christian Brückner) über Luther unterhält, ob der Fugger (Günter Mack) Kaiser Maximilian in seine Schranken weist... es sind die ökonomisch- politischen Interessen der Kirche und der Fürsten, die die Bewegung der Reformation wenn nicht begründeten, so doch maßgeblich formten. Luther, der große Reformator und einstige Weggefährte Thomas Münzers präsentiert sich als absolut unpolitisch, radikal in seiner Verurteilung der Bauern während des Bauernkrieges. Er ist ein fanatischer Verteidiger der Rechte der Obrigkeit. Münzer, am Anfang im Ablassstreit mit Luther einig, wurde 1525 als Anführer eines Bauernheers verhaftet, gefoltert und hingerichtet. Vor allem die Ausbeutung des Volkes durch die Fürsten prangerte Münzer an. Er wollte eine christliche Demokratie und arbeitete für die Verwirklichung des Reiches Gottes bereits auf Erden. Dieter Forte, 1935 in Düsseldorf geboren, lebt in Basel. Als Dramatiker und Drehbuchautor erlangte er Berühmtheit. 1970 entstand sein Theaterstück "Martin Luther und Thomas Münzer oder Die Einführung der Buchhaltung". Neben Drehbüchern für Fernsehspiele und Hörbüchern schreibt Forte auch Romane: "Das Muster" erschien 1992. Durch die Aufarbeitung historischer Stoffe macht er in seinen Dramen auf aktuelle Probleme aufmerksam. In seinen Romanen beschäftigt er sich mit den Kriegsereignissen. Dieter Forte ist Träger des Basler und Bremer Literaturpreises. Fazit: Ein interessantes Bildungsprogramm über die Reformation. Spannend und eindrucksvoll, mit brillanten Sprechern inszeniert. Absolut empfehlenswert. Hörspiel, Spieldauer: ca. 199 Minuten, 3 CD. Mit ausführlichem Booklet. - culture.text
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