Israelis in BerlinFania Oz-Salzberger
Taschenbuch
Ihre Stadterkundungen scheinen Fania Oz-Salzberger auf Abwege geführt zu haben. Denn das Resultat ihres Berlinaufenthalts als Stipendiatin des Wissenschaftskollegs ist keine akademische Untersuchung, sondern ein Reisebuch. In ihm geht es um die Frage: "Wie lebt es sich als Israeli in Berlin." In einer Stadt, "die ihre jüdischen Einwohner anlockte, veränderte und schließlich tötete". Für die in Haifa lehrende Historikerin und die von ihr Befragten lebt es sich hier besser als man zunächst annehmen möchte. Ihr Berlinbuch ist also ein freundlicher Reisebericht. Nach ihrem Gespräch mit einem skeptischen Jürgen Habermas glaubt sich die Autorin dafür entschuldigen zu müssen: sie stärke nicht Martin Walsers Position. Nein, es geht tatsächlich nicht um Vergessen. Es geht um Erinnern, aber aus einer anderen Perspektive als der gewohnten. Der Band ist freundlich, weil er von Berlin handelt, nicht von Deutschland. Oz-Salzbergers Perspektive ist eine urbane. Sie sieht, wie das von den Nazis zerstörte schwule Berlin sich wie Phönix aus der Asche erhob: "Denn die nicht den Gesetzen der biologischen Fortpflanzung unterworfene gay nation hat einen Vorteil: Sie regeneriert sich nicht durch eigene Nachkommen, und daher kann der eigene Tod sie nicht ausrotten." Doch das konnte nur für sie gelten und daher steht bei Fania Oz-Salzberger das bittere Schicksal dreier jüdischer Kinder, die in Auschwitz umgebracht wurden, für die Auslöschung des jüdischen Berlin. Vor diesem Hintergrund nähert sie sich der Stadt, wobei Hebräisch der Pfeiler ist, auf dem ihr Brückenschlag aufliegt. Eine Sprache, die interessanterweise auch die arabischen Israelis nicht ausschließt, die sie hier trifft. Stadt, nicht Land, Israelis, nicht Juden, Hebräisch, nicht Jiddisch: Der so gewählte Fokus erlaubt es der Autorin ein wunderbar heutiges, spannendes Reisebuch zu schreiben, das paradoxerweise über Nazizeit und 20er-Jahre hinweg tief in die Vergangenheit bohren kann, ins aufklärerische Berlin des 18. Jahrhunderts und den aufklärungswilligen Juden, die die Stadt einst anlockte. -Brigitte Werneburg
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