"Und wenn wir nur eine Stunde gewinnen ...": Wie ein jüdischer Musiker die Nazi-Jahre überlebtePeter Schneider
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Konrad Latte war musikalisch, sehr sogar, und sein Berufswunsch stand früh fest: Musiker wollte er werden. Die Chancen des intelligenten Schülers hätten auch gut gestanden, wäre er nicht zur falschen Zeit mit der falschen Religion geboren worden. Konrad Latte war Jude, und in Deutschland herrschten die Nazis. < P> Die Familie Latte hatte eigentlich nur die Wahl, ins Ausland zu flüchten oder der Deportation entgegenzusehen. Gewählt haben sie freilich eine dritte, ungewöhnliche Variante: Sie blieben in Deutschland und gingen in den Berliner Untergrund. Konrad überlebte das Dritte Reich unter falschem Namen - sozusagen direkt vor den Augen der Machthaber. Jahrzehnte später erzählte er Peter Schneider davon, und der formte aus dem ungewöhnlichen Stoff ein packendes Buch: Konrads " Schule des Überlebens". < P> Ernüchternd die Geschichten der vielen Mitläufer oder Denunzianten: Menschen, die zuvor noch in der jüdischen Gemeinde ihr Geld verdient hatten, verdingten sich willfährig als Spitzel. Ermutigend aber die Begegnungen mit Nicht-Juden, die Latte trotz ständiger Gefahr halfen, ihn versteckten, mit Kleidung oder Papieren versorgten. Erstaunlich auch, wie es Latte gelang, aus dem Untergrund seine Musikerkarriere voranzutreiben. < P> Präzise und ohne unnötige Ausschweifungen berichtet Schneider vom Undercover-Leben des Konrad Latte. So spannend und mitreißend, dass das Buch zum Ausnahmefall unter den unzähligen Lebensgeschichten aus der N S-Zeit wird. Auch was die Verdichtung des Materials angeht: Wo andere Werke mehr als den doppelten Raum benötigen, genügen Peter Schneider 150 Seiten, um auf eindrücklichste Weise die Emotionen und Erfahrungen eines Davongekommenen zu vermitteln. Seine Arbeit ist aber auch ein Denkmal für die vielen mutigen Helfer Lattes - für Schneider eine "keineswegs repräsentative, aber bewundernswerte Minderheit". < I>-Joachim Hohwieler
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