Matthäus-PassionAudio CD
Im Hause Bach hieß sie schlicht "die große Passion". Tatsächlich: Johann Sebastina Bachs " Passio Domini Nostri Jesu Christi secundum Matthäum" B W V 244 übertrifft in der Größe ihrer kompositorischen und zeitlichen Dimensionen alles bis zu ihrer Enstehung dagewesene und noch das allermeiste nachfolgende. Unerhört, (über? )fordernd ist diese Musik noch heute, rauschhaft, ekstatisch, energetisch-expressiv bis an die Grenze zum Hysterischen und Gewaltsamen. Den dionysischen Charakter der Bach'schen Musik hat man seit der " Wiederentdeckung" der Matthäus-Passion durch Felix Mendelsohn 1829 bis in unsere Zeit weitgehend außer acht gelassen. Erst die sogenannte historische Aufführungspraxis brach konsequent mit dem Missverständnis pietistisch-milder Behäbigkeit, machte Schluss mit der musikalischen Weichzeichnung, neigte dafür aber zum anderen Extrem, zu überhetzten Tempi, zu nun manifest hysterischer Überspanntheit und zum Fehlen jeglichen mystisch-meditativen Tiefgangs. < P> Peter Schreiers Aufnahme der Matthäus-Passion von 1984 vermeidet beide Extreme und setzt so Interpretationsmaßstäbe: Der Rundfunkchor Leipzig und die Staatskapelle Dresden bieten unter Schreiers Leitung Chöre und Instrumentalparts mit vollem, warmen Ton, gleichzeitig aber mit Präzision und Transparenz. Schreier wählt generell eher mittlere Tempi und arbeitet so die dramatische Innenspannung des Werkes ebenso heraus wie seine verinnerlicht-betrachtenden Momente. < P> In seiner zweiten Funktion in dieser Aufnahme ist Peter Schreier ohnehin nach wie vor unübertroffen: Kein zweiter Tenor unserer Tage singt die Partie des Evangelisten mit solch einer ungeheueren energetischen Expressivität, keiner ist dabei so überzeugend und natürlich im Idiom der deutschen Sprache zuhause. Auch Schreiers Solisten-Kollegen musizieren auf hohem Niveau: Theo Adam als eher hell timbrierter Christus, Lucia Popp mit dunkel gefärbtem, dramatischem Sopran, der warme Alt von Marjana Lipovsek, Eberhard Büchners schlanker, introvertierter Tenor und schließlich Robert Holl als kraftvoller, beweglicher Interpret der Bass-Arien. < P> Gesamturteil: Ausgezeichnete Aufnahme, die vor allem jene begeistern wird, die auf Klangfülle und -schönheit ebenso Wert legen wie auf strukturelle Durchhörbarkeit und Transparenz. < I>-Andreas Grabner
|