Mehr Politik wagenSigmar Gabriel
Gebundene Ausgabe
Sigmar Gabriels politische Ansichten sind leicht zu lesen und erinnern an eine Plauderstunde bei Sabine Christiansen. Veröffentlicht hat der S P D-Politiker das Buch zwischen der Bundestagswahl 2002 und der Landtagswahl in Niedersachsen im Februar 2003. Darin findet sich viel Bekanntes, auch Gescheites und Selbstkritisches. Noch öfter hätte Gabriel konkret werden sollen. Klartext spricht der Niedersachse, wenn er die Wiedereinführung der Vermögenssteuer fordert. Zudem setzt er sich für Ganztagsschulen ein. Uni-Professoren müssen seiner Meinung nach leistungsorientierter bezahlt werden. Zudem solle die Erziehung von Kindern steuerlich begünstigt werden und nicht die Ehe allein. Im bewegendsten Abschnitt des Buches gesteht Gabriel offen eigene Schulschwierigkeiten, die er wegen des Scheidungskriegs seiner Eltern hatte. Seiner S P D schreibt er ins Stammbuch, dass sie zu stark im Milieu des Öffentlichen Dienstes verhaftet sei. Gabriel fordert kreative Bewegung, wie es zum Beispiel Volkswagen bei der Arbeitszeit vorgemacht hat, und geißelt Stillstand und Blockade wie beim Thema Zuwanderung. Zudem habe die Gesellschaft bei der Integration von Aussiedler-Familien aus Russland versagt. Weitere Analysen sind richtig, gehören jedoch nicht nur bei Christiansen zum Partei übergreifenden Konsens, etwa wenn es heißt: " Leistung muss sich lohnen" oder " Der Mittelstand muss gefördert werden" oder " Lohnnebenkosten müssen runter". In Gabriels Buch geht es auch um Rürup und Hartz, natürlich soll die Arbeitslosigkeit gesenkt werden. Dabei tut Gabriel fälschlicherweise so, als seien heute nur schlecht ausgebildete Menschen arbeitslos. Von der Wirtschaft fordert der Niedersachse Produktivitätssteigerung und Innovation. Die E U solle transparenter werden, und um unsere Altersversorgung müssen wir uns selbst mitkümmern lernen - so weit die unspektakuläre Bestandsaufnahme. In Anlehnung an Willy Brandt, der mehr Demokratie gewagt hat, will der 1959 geborene Sigmar Gabriel Mehr Politik wagen. Fleißig und mit politischem Instinkt treibt er seine Ideen voran. Recht hat der Sozialdemokrat, wenn er schreibt: " Die Menschen spüren, dass wir umsteuern müssen. Allerdings müssen sie den Eindruck haben, dass es bei allen einschneidenden Maßnahmen gerecht zugeht". Aber auch diese Aussage unterschreiben aus gutem Grund nicht nur Parteifreunde. Denn die wirtschaftlichen Rahmenbedingungen durch die und seit der deutschen Einheit lassen keinen anderen Weg zu. So wird einmal mehr klar, dass es höchste Zeit ist umzudenken - auch, ja gerade gegen den Widerstand von unflexiblen Lobbyisten. -Herwig Slezak
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