Die dunkle Seite der Geschichte: Die Shoah in historischer Sicht. Interpretationen und Re-InterpretationenYehuda Bauer
Gebundene Ausgabe
Es ist in der zeitgenössischen Geschichtsschreibung eines der wohl schwierigsten Vorhaben, dem sich der 1926 in Prag geborene Yehuda Bauer, emeritierter Professor für Holocaust-Studien an der Hebräischen Universität Jerusalem und Leiter der Gedenkstätte Yad Vashem zwischen 1996 und 2000, gestellt hat: Eine Gesamtdeutung der Shoah und - als Gipfel der Herausforderung - die kritische Beschäftigung mit den unterschiedlichen Interpretationen verschiedener Forschungsrichtungen zu verfassen. Das vom Autor proklamierte Ziel ihrer "Entmystifizierung" kann er einlösen, der Versuch einer gewissen Bilanzierung wird angesichts der intensiven Forschungstätigkeit auf diesem Gebiet aber nur für eine sehr begrenzte Zeit Geltung beanspruchen können. Positiv wie nur wenige andere Werke hebt sich dieses Buch von der Masse der Holocaust-Literatur dort ab, wo Bauer die Instrumentalisierung der Shoah durch verschiedene Gruppen anspricht. Dabei macht er auch nicht vor der israelischen Gesellschaft halt: Die Vernichtung der Juden durch das menschenverachtende Nazi-Regime spielt in der israelischen Innenpolitik eine wichtige, teils unbewusst, teils bewusst eingesetzte Rolle. So bezichtigen sich z.B. extremistische Parteien gegenseitig der Anwendung von "Nazi-Methoden". Dies fällt in einer "traumatisierten Gesellschaft", wie die israelische nun mal eine ist, auf fruchtbaren Boden. Bauers Plädoyer gegen die Mystifizierung der Shoah, also ihre Klassifizierung als etwas "Unerklärbares", begründet er pädagogisch-didaktisch: "Die Mystifizierer erreichen (...) das genaue Gegenteil ihrer mutmaßlichen Absicht, Identifikation und Mitleid mit den Opfern zu bewirken. Man kann sich nicht mit dem Unerklärbaren identifizieren." Besonders sei die als Epilog dem Text angehängte Rede Bauers vor dem Deutschen Bundestag vom 27. Januar 1998 zur Lektüre empfohlen. In ihr legt Bauer mit großer argumentativer Dichte und sehr eindringlich seine Sicht der Shoah und die Notwendigkeit dar, wachsam zu sein, damit nie wieder die Abstammung als "Verbrechen" klassifiziert werden könne, "das mit dem Tod geahndet werde". Ein Buch, das für die Gegenwart sensibilisiert, indem es die Vergangenheit entmystifiziert. -Dr. Manfred Schwarzmeier
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