Warum fließt der Rhein nicht durch Berlin?Alfred Kerr
Gebundene Ausgabe
Diese Rezension ist unnötig, wenn Sie bereits einmal einen Text von Alfred Kerr gelesen haben. Egal, welchen. Der berühmte - ja, er war wirklich berühmt - Theaterkritiker der Weimarer Republik hat eine unverwechselbare Stimme, einen speziellen Klang. Man erkennt ihn sofort wieder. Journalistentexte halten normalerweise nicht lange. Diese schon! Die Artikel in diesem Buch sind 100 Jahre alt. Nichts von den damaligen Zuständen geht uns mehr an: Die bösen Oberbürgermeister, tumben Militärs, dummen Kulturschranzen, all die "dabeis" der Gesellschaft im kaiserlichen Berlin, was sind sie uns noch? Weniger als nichts. Und doch hört man Kerr zu, man lacht und schmunzelt, läßt sich bewundernd davontragen im Achterbahnwagen seiner Sprache, es kitzelt in der Magengegend: Mein Gott, ist der Mann frech! Meine Güte, ist der Mann gut! Sie mögen Berlin nun überhaupt nicht? Macht nichts, Kerr werden Sie mögen! Der kam damals aus Breslau, focht sich tapfer durch im Millionenmoloch und berichtete für die Zeitung seiner Heimatstadt. Ein junger Mann, sehr selbstbewußt. Mit Recht. Volker Rühle, Journalist und Kerr-Experte, hat die Artikelserie ausgegraben. Dies ist der zweite Band dieser Entdeckungen. Der erste hieß Wo liegt Berlin? - ein Lesevergnügen der eine wie der andere. Aufschlagen und sich wohlfühlen! Noch ein bißchen kulturkritische Melancholie gefällig? Wie liberal die damals waren, wie tolerant, daß sie das tatsächlich gedruckt haben! In einer Provinz-Zeitung! Hohnlachend operiert Kerr oft hart am Rande der Beleidigung. Jeder versteht, was gemeint ist, aber man kann ihm nichts! Und die haben das gedruckt! -Michael Winteroll
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