Keilschrift, Kompass, Kaugummi: Eine Enzyklopädie der frühen ErfindungenPeter James
Taschenbuch
Die Narkose wirkt, der Patient liegt ruhig auf der Bahre. Der Chirurg atmet noch einmal tief durch, dann setzt er das Skalpell an. Nach wenigen Minuten liegt das Gehirn des Kranken offen vor dem O P-Team - und ein kleiner Tumor, den der Arzt mit kurzen, geschickten Schnitten entfernt. < P> Eine Szene aus einem Arztroman? Nein, nur ein Beispiel für den Stand der Medizin vor rund 4000 Jahren. Derartige Operationen, die heute nur unter absolut sterilen Bedingungen in chromblitzenden Operationssälen stattfinden würden, hat es offenbar schon damals gegeben. Verblüffend: Wie die Spuren am erhalten gebliebenen Schädel des Patienten zeigen, hat er diese Operation offenbar um Jahre überlebt - ob er nach dem Aufwachen allerdings noch bis zehn zählen konnte, ist leider nicht überliefert. Dennoch: Wem dieses Beispiel zu denken gibt, der sollte sich einmal die restlichen Seiten des Buchs < I> Keilschrift, Kompaß, Kaugummi von Peter James und Nick Thorpe zu Gemüte führen - er wird aus dem Staunen nicht mehr herauskommen. < P> Schwangerschaftstests und elektrische Batterien von vor zweitausend Jahren, Buchdruck und erste Handgranaten schon zu Zeiten der Kreuzzüge - das paßt nicht zum Bild dumpfer Vorfahren, die in Felle gehüllt auf das Anbrechen der Neuzeit warten! Was James und Thorpe hier auf 426 Seiten zusammengetragen haben, liest sich streckenweise wie ein Fortschrittsbericht moderner Forschungseinrichtungen, nur daß die beschriebenen Erfindungen hunderte, sogar tausende von Jahren alt sind. Unsere Vorfahren kannten nämlich bei weitem nicht nur Öllampe, Schwert und Hinkelstein: Die alten Griechen hatten bereits Rechenmaschinen und Automaten, die sich von selbst bewegten - sogar Tempeltüren, die sich fast wie in Star-Trek-Manier von selbst öffneten. Römische Ingenieure dachten bereits über Entfernungsmesser für Sportwagen nach und konnten ihren Nachbarn auf der Sommerparty eisgekühlten Wein aus eigenen " Kühlschränken" kredenzen. Und die erste Dampfmaschine läutete < I>nicht die industrielle Revolution ein - auf diese Idee wäre im ersten Jahrhundert nach Christus noch niemand gekommen, Sklavenarbeit war damals billiger. < P> James und Thorpe lassen bei ihrem Streifzug durch den Erfindungsgeist der vergangenen Jahrhunderte kaum ein Kapitel aus. Medizin, Kommunikation, Körperpflege, Sport und Freizeit und sogar " High-Tech": Jedes der angenehm und verständlich geschriebenen Kapitel kommt mit einer eigenen Einführung und hervorragenden Abbildungen daher und verdichtet sich zu einem Gesamtbild unserer technischen Vergangenheit, das es schwer macht, das Buch wieder auf die Seite zu legen. < P> Alles also schon mal dagewesen? Okay, Teflonpfanne, Fernseher und Internet sind wirklich Kinder unseres Jahrhunderts, aber wenn man sieht, wie viele Dinge - der Kompaß ist nur ein Beispiel - auf ihrem Weg durch die Geschichte verlorengegangen sind und erst später mühsam "wiederentdeckt" werden mußten, dann möchte man heutigen Erfindern empfehlen, vor dem Gang in die Werkstatt mal in < I> Keilschrift, Kompaß, Kaugummi zu schmökern. Antike Technik war zwar simpel, aber nicht weniger clever gemacht als manches, was heute aus den Entwicklungsabteilungen der Industrie kommt. Von wegen " Die spinnen, die Römer"! < I>-Stefan Albus
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